18. April 2002
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy

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Angesehener tibetischer Lama und Wohltäter der Gesellschaft festgenommen

Presseerklärung

Am Abend des 7. Aprils 2002 wurde Tulku Tenzin Delek, der im Volk auch unter dem Namen Ah-Nga Tashi bekannt ist und in Distrikt Lithang, TAP Karze, Provinz Sichuan, hohes Ansehen genießt, zusammen mit seinen vier Gehilfen von Polizeibeamten des Public Security Bureau von Sichuan wegen angeblicher Beteiligung an einer Reihe von Bombenattentaten in Chengdu festgenommen. Bei den vier Mitbürgern handelt es um Tsultrim Dhargyal, Tamding Tsering, Asher Dhargyal und den Laien Dhondup. Der gegenwärtige Verbleib aller fünf Personen ist unbekannt.

Die Anhänger von Tulku Tenzin Delek glauben, man habe ihm die Bombenattentate wegen seiner sogenannten "spalterischen" Tätigkeiten angehängt. Tulku Tenzin Delek ist bekannt für sein großes Engagement zur Wiederbelebung tibetischer Kultur und Religion, für sein soziales Engagement und seine kühnen Äußerungen über die repressive Politik der Chinesen in Tibet. Energisch pflegte er lokale Probleme zur Sprache zu bringen und konnte so zu ihrer Lösung beitragen. Tenzin betonte stets die Notwendigkeit, Streitigkeiten auf dem Wege gütlicher Verständigung zu lösen und sich nach den Lehren des Dalai Lama zu richten. Er befürwortete die Erhaltung der einzigartigen Kultur Tibets und ebenso die Notwendigkeit, daß tibetische Offizielle im Staatsdienst Tibet in die Moderne des 21. Jahrhunderts führen.

Bei den Verhaftungen in letzter Zeit ist die Tendenz feststellbar, daß die Pekinger Regierung gezielt gegen prominente religiöse Gestalten vorgeht, die irgendwann einmal vom Dalai Lama empfangen wurden. Geshe Sonam Phuntsok, ein geachteter buddhistischer Praktizierender und Lehrer, wurde im März 2000 zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihm wurde angelastet, daß er um eine Audienz beim Dalai Lama nachgesucht und eine Langlebens-Gebetszeremonie für ihn durchgeführt hatte. Khenpo Jigme Phuntsok, der Großabt des Serthar Instituts, wird ohne jede Verbindung zur Außenwelt in Chengdu festgehalten, im vergangenen Jahr wurden die meisten seiner weit über 8.000 Schüler des Ortes verwiesen und annähernd 2.000 ihrer Behausungen niedergerissen. Die chinesische Regierung verdächtigte Khenpo, daß er in politischen und religiösen Angelegenheiten mit dem Dalai Lama in Verbindung stehe, nachdem er ihn 1990 in Dharamsala besucht hatte. Die Verhaftung von Tulku Tenzin Delek ist der jüngste Fall in dieser Reihe. Alle drei führenden religiösen Gestalten kommen aus derselben Gegend, nämlich dem Distrikt Karze in der Provinz Sichuan.

Biographie von Tulku Tenzin Delek

Tulku Tenzin Delek, der 1950 als Sohn von Tsepak Dorjee und Dolma Choezom in Lithang geboren wurde, trat im Alter von sieben in das Kloster Lithang ein. Er wurde von Khensur (ehemaliger Abt) Shakpa zum Mönch ordiniert. Infolge der chinesischen Gewaltherrschaft in Tibet kehrte Tulku Delek 1959 zu seiner Familie zurück.

Während des Besuchs der ersten Delegation der tibetischen Regierung-im-Exil im Jahre 1970 konnte Tulku Tenzin Delek einem Mitglied der Delegation ausführlich über die von den chinesischen Behörden in Tibet angerichteten Zerstörung berichten. Kurz nachdem der 10. Panchen Lama 1978 aus chinesischer Haft entlassen wurde, hatte Tulku Tenzin Delek insgeheim eine Unterredung mit ihm im Kloster Labrang Tashi Kyil. Er drückte sein Entsetzen darüber aus, wie die lokale tibetische Bevölkerung willkürlich von den Chinesen gefoltert wird und bat den Panchen Lama, er möge intervenieren, um die Rehabilitierung der als "schwarze Kappen" Gebrandmarkten (um diese Zeit wurden die politisch Ausgestoßenen von den Behörden als "Schwarzkappen" bezeichnet) zu erreichen. Er betonte auch die Notwendigkeit des Wiederaufbaus der zahlreichen in Tibet zerstörten Klöster, besonders desjenigen von Lithang.

1982 hatte Tulku Tenzin Delek eine Audienz beim Dalai Lama in Dharamsala, wonach er 6 Jahre im Kloster Drepung Tashi Gomang in Südindien verbrachte. 1983 erkannte ihn der Dalai Lama als eine Wiedergeburt von Geshe Adham Phuntsok und verlieh ihm den Tulku-Namen Tenzin Delek.

1987 kehrte Tulku Tenzin Delek in seine Heimat nach Tibet zurück. Er begab sich zuerst in das wenige km von der Kreisstadt Nyagchuka entfernte Dorf Othok Thang Karmar, um seine Idee der Renovierung von Klöstern in die Tat umzusetzen. Aber hier versuchten regionale Kader, ihn an seinen Plänen zu hindern. Er fuhr nun direkt nach Peking, wo ihm der Panchen Lama seine offizielle Genehmigung erteilte und dem neuen Kloster den Namen Kham Nalanda Thekchen Jangchub Choeling gab.

Zwischen 1991 und 1995 gelang es Tulku Delek, in Distrikt Nyagchuka (chin. Yajiang Xian), TAP Karze, sieben Klöster und ein Altenheim zu bauen. Die sieben Klöster sind: Jamyang Choekhor Ling, das Nonnenkloster Delek Choeling, Golok Thegchen Namgyal Ling, Tsochu Gaden Choeling, Golok Tashi Kyil, das Kloster Detsa und Tsegon Shedrup Dhargyal Ling.

In jener Zeit sprach Tulku Delek immer wieder bei den Offiziellen der Distriktverwaltung von Lithang vor, um die von der Forstbehörde eingeleitete Abholzung in Nyagchuka zu stoppen. Er argumentiere, daß der Wald der Lokalbevölkerung gehöre, und daß sie alleine das Entscheidungsrecht habe, was mit ihrem Land zu geschehen habe. Später erhob er Klage bei einem Gericht auf Provinzebene.

Bei der Kontroverse um die Reinkarnation des 10. Panchen Lamas im Mai 1995 erklärte der Tulku kühn: "Ich akzeptierte nur die von seiner Heiligkeit dem Dalai Lama bestätigte Reinkarnation des 10. Panchen Lamas und sonst niemanden". Vor Distriktbeamten sagte der Tulku einmal: "Sie erlassen immerzu Verordnungen, die das Aufstellen von Bildern seiner Heiligkeit des Dalai Lama in Klöstern verbieten. Für mich spielt dies keine Rolle. Weder vertieft das Zeigen der verbotenen Bilder in der Öffentlichkeit meine Hingabe zu Seiner Heiligkeit, noch mindert das offizielle Verbot dieser Bilder meinen Glauben. Der Dalai Lama ist meine eigentliche Seele".

Bei einer Sondersitzung in Distrikt Karze im Jahr 1997 wurden sechs verschiedene Anschuldigungen, darunter auch "Gefährdung der Staatssicherheit" und der illegale Bau von Klöstern unter dem Vorzeichen der Religion, gegen Tulku Tenzin Delek erhoben und in einem Dokument mit Titel "Ah-Nga Tashi" festgehalten. Dieses Dokument wurde in 18 verschiedenen Distrikten verteilt, so daß der Tulku in unmittelbarer Gefahr der Verhaftung stand. Er verschwand für 5 Monate zur Klausur in den Bergen in der Umgebung. In der Zwischenzeit sammelten die Tibeter der Gegend 30.000 Unterschriften und richteten einen Appell an die Provinzregierung, den Verhaftungsbefehl rückgängig zu machen. Diese lenkte ein unter der Bedingung, daß der Tulku sich fortan aller politischen Aktivitäten enthalte.

Später im Jahr 1997 baute der Tulku eine Schule in dem Dorf Geshe-Lungpa in dem Distrikt Nyagchuka, die über 300 Waisen und Kinder armer Nomaden und Bauern Unterschlupf bot. Alle Kosten, so wie Essen, Kleidung und Lehrergehälter wurden von dem Tulku selbst bestritten. Die Lokalbehörden brandmarkten diese Privatschule jedoch als illegal. Sie bemächtigten sich ihrer gewaltsam und führten die patriotischen Erziehungsklassen durch, was schließlich zur Schließung der Schule führte. Das Altenheim in Kreis Nyagchuka mußte auf Druck der Lokalbehörden ebenfalls geschlossen werden.

Im Jahre 2000 vermittelte der Tulku bei einem Zwist über Besitzrechte auf Weidegründe, der bereits zwei Todesopfer gefordert hatte, zwischen den Gemeinden von Lithang und Mola. Die chinesische Regierung bezichtigte ihn jedoch der unerwünschten Einmischung in dieser Angelegenheit und machte Anstalten, ihn zu verhaften. Wieder entzog er sich, indem er für 7 Monate in Klausur ging.

In einem von ihm zurückgelassenen Brief erklärte er: "Ich machte mich niemals irgendwelcher politischer Vergehen schuldig. Ich erhielt einen Telefonanruf von der chinesischen Verwaltung, ich solle alleine in das Haftzentrum kommen, weil sie mir etwas mitzuteilen hätten. Wenn meine Freunde hier die Anklagen gegen mich auf gesetzlichem Wege ausräumen können, werde ich herauskommen".

Zum zweiten Male unterschrieben annähernd 20.000 Lokalbewohner und appellierten an die Zentralregierung in Peking, den Fall des Tulku wohlwollend zu betrachten. Diese antwortete, der Tulku dürfe in Zukunft keine religiösen Zeremonien mehr durchführen und seine Freizügigkeit werde eingeschränkt. Er darf nur noch das Leben eines gewöhnlichen Mönches führen. Man nimmt an, daß die Regierung in Peking Tulku Tenzin Delek im selben Licht wie den Großabt des Serthar Instituts Khenpo Jigme Phuntsok sieht, nämlich als einen "Separatisten", welcher die "Staatssicherheit gefährdet".

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